Neulich ruft mich eine gute Freundin an und wirft doch glatt die Frage auf
„Wer bin ich eigentlich? In Zeiten von Corona, denkt man ja schon so über einiges nach?“ Oh sehr gute Frage und mir auch einen Blogbeitrag wert, denn sie hat ja recht.
Wir spielen jeden Tag unsere Rollen, bei der Arbeit, als Mutter oder Vater, als Kind, als Freund oder Freundin, in der Ehe als Partner…. Aber wer sind wir, wenn wir unsere Rollen nicht einnehmen müssen oder können?
Das hat mich sehr nachdenklich gemacht… Ausserdem habe ich jetzt 10 Tage lange an einem Online Missbrauchskongress teilgenommen. Alles bringt mich immer wieder zum nachdenken und ja, dann bleibt die Frage
Wer bin ich eigentlich ohne all die äußeren Rollen?
Bleibt eigentlich noch irgendetwas, wenn wir nicht in eine Rolle schlüpfen?
Nach diesem Kongress bin ich mir sicher, ich werde ein guter Coach sein und vielen Menschen helfen können., mir kommen auch im Austausch mit Freunden neue Ideen und vieles wird in Bezug auf meine Arbeit klarer und auch viel neue Fragen tauchen auf.. aber auch hier werden sich zu gegebener Zeit Antworten finden….
Aber was ist mir mir als Mensch? Darf man heutzutage eigentlich noch wagen in sich hineinzuhören? Klar, uns „Überlebende“ sagt es der Therapeut, wir lernen ja quasi erst zu fühlen und das bringt ja auch den Schmerz, Wut und Traurigkeit mit…
Wisst ihr was? In mir tobt gerade alles durcheinander, Freude, Stolz, Mut, Kraft und gleichzeitig eine lähmende Traurigkeit, Wut die raus will aber nicht kann… ich will weinen, aber es geht nicht. Ich kämpfe innerlich… Darf ich das, wenn ich anderen helfen möchte? Ich verbiete es mir genau aus dem Grund… gleichzeitig denk ich mir es sieht doch eigentlich keiner und trotzdem schäme ich mich immer noch vor mir selbst, weil ich nicht schwach sein möchte.
Ich will auch die Angst nicht mehr spüren, aber sie ist da, so wie sie immer da ist… nur will ich sie nicht gewinnen lassen.
Ich will auch diese unheimliche Wut nicht spüren, ich will nicht hören, das ich ein „Opfer“ bin/war, denn das macht mich klein und das bin ich jetzt nicht mehr…
Und warum schreib ich das jetzt öffentlich? Weil mir heute aufgefallen ist, das ich trotz meiner großen Klappe irgendwie nicht sichtbar bin. Jeder sieht wahrscheinlich einen anderen Teil, aber nicht wirklich die ganze Person. Die ich ja auch nie wirklich zeige, aus Angst…
Jemanden zu verletzen, zu schocken, zu enttäuschen oder eben einfach nur, weil niemand auf die Idee kommen sollte, ich könnte mal schwache Momente haben.
Wie oft habe ich betroffene und geschockte Gesichter gesehen, wen es nur ein Bruchteil aus meiner Vergangenheit gab? Wie oft haben sich Leute von mir abgewendet, weil sie es nicht ertragen konnten? Es ist viel einfacher, wenn man geht, den anderen als Lügner abstempelt und sich lieber nicht damit beschäftigt… Ich kann das auch verstehen, aber es hilft am Ende auch nicht weiter. Und genau deswegen schreibe ich den Blog… Das Thema Gewalt, Missbrauch und Vergewaltigung gehört verdammt noch mal jeden Tag in die Öffentlichkeit, bis auch der letzte Verstanden hat, was hier jeden Tag mitten unter uns passiert. Bis endlich jemand mal, da hilft wo wir es brauchen… Akzeptanz, das wir da sind, wäre schon mal ein großer Fortschritt.
Hinschauen und nicht wegschauen!!!
Nicht immer die Verantwortung auf Jugendämter, Polizei oder andere abschieben, es gibt einfach nicht genug HILFE
Wir sollten eher mal in unserer Gesellschaft darüber ernsthaft nachdenken, was hier gerade nicht stimmt… Warum wir eigentlich nur noch gegeneinander sind statt wirklich zusammen halten?
Warum muss alles der Norm entsprechen und in Schubladen gepackt werden, weil dann Ordnung ist? Ich hör immer wieder was von Werten und Grundrechten hier in Deutschland… und frag mich ernsthaft was die Leuten damit meinen? Dabei geht es natürlich um andere Themen als meine…. Aber wer fragt denn die ganzen Opfer häuslicher Gewalt, die Kinder die zerstört werden dadurch, die Frauen und Männer, die missbraucht und vergewaltigt werden?
Ach klar, die werden das schon verdient haben oder eben einfach Pech gehabt, provoziert haben, die falsche Kleidung an… Ich weiß nicht, was ich alles schon zu hören bekommen habe um das alles zu rechtfertigen…
So nun hab ich wohl ein bisschen meiner Wut durch das schreiben verloren und vielleicht denkt der ein oder andere von euch mal nach, ob es wirklich Sinn macht immer weg zu schauen…
Ich für meinen Teil werde weiter machen, bis man uns sieht und unsere Stimme hört und ich werde auch alles geben, um anderen zu helfen in ihre eigene Stärke zu kommen…Denn dafür hab ich das alles Überlebt
Liebe Grüße
eure Janine

Ps. Ich weiß manchmal nicht wirklich wer ich bin, den irgendwie passe ich auch in keine NormSchublade… Aber wie hieß es bei Forrest Gump so schön? „Das Leben ist wie eine Pralinenschachtel, man weiß nie was man bekommt“ Also, ich bin eben eine Pralinenschachtel 😀