…. Dann bist du wohl mit dem Thema für dich noch nicht durch!
oder
„Keine Frau bringt aus Versehen ein Kind zur Welt. Wenn man seine Mutter hasst, dann ist man noch sehr verbunden mit ihr. Und wenn man diese Verbindung lösen will, dann hilft nur echte Vergebung“
Zugegeben, keine oder keiner macht solche Aussagen aus böser Absicht oder um mir weh zu tun und trotzdem gehe ich da jedes Mal hoch wie eine Rakete. Denn es tut weh und macht mich gleichzeitig wütend, hilflos und ich fühle mich wirklich saudämlich, quasi ein totaler Gefühlscocktail.
Mittlerweile kann ich gut unterscheiden, was so mein persönlicher wunder Punkt ist und das die erste Reaktion grundsätzlich erstmal und wenn es nur sekundenbruchteile sind, mit der Dauerbeschallung „nicht richtig und genug zu sein“ zu tun hat, was übrigens durchaus verschlimmert wird, wenn dann hinzugesetzt wird „Ach nein, denk dran, du bist perfekt so wie du bist“ Spätestens da schaltet sich meine Logikstimme im Kopf ein und fragt sich, was denn nun?
Und genau das ist die Frage, wann ist man denn für aussenstehende fertig mit einem Thema?
Leben ist Wandlung, Veränderung und grundsätzlich lernen wir doch jeden Tag in unserem Leben etwas dazu oder? Dazu gehören Höhen und Tiefen, gute Gefühle und eben auch die, die wir nicht so sehr mögen. Wir wollen alle nicht hassen, wütend, traurig oder neidisch sein, trotzdem gibt es diese Gefühle und auch diese wollen gesehen und beachtet werden.
Also bin ich durch mit meinem Mutter-Tochter-Thema durch, wenn ich nicht mehr darüber rede oder schreibe?
Oder wenn ich ganz liebevoll in voller Vergebung erzähle, wie sie mich als Kind eines Sonntag morgens um 7.00 Uhr im wahrsten Sinne windelweich geprügelt hat, weil ich angeblich eine Tüte Brausepulver geklaut habe und der Nachbarin erzählt hätte, ich würde nichts zu essen bekommen, weil sie das Geld versoffen hat? Und sie immer rasender geworden ist, weil ich gewagt habe zu sagen, das ich weder das eine noch das andere getan habe?
Nun ja, bei allem was sie mir angetan hat, kann ich heute sagen, sie wusste es nicht besser und auch heute hat sie keinen Millimeter dazu gelernt geschweige denn verstanden. Das heißt aber nicht automatisch, das ich nicht mal bei bestimmten Erinnerungen wütend oder traurig werde, das heißt nicht, das ich bei bestimmten Sachen nicht angetriggert bin und erstmal durchatmen muss. Heute erlaube ich mir all das auszusprechen und all dem Raum zu geben auf meinem Lebensweg. Na ja und das mit dem Perfekt sein, ist auch immer so ne Ansichtssache….. ich bin lieber ein Vorbild in Sachen Authensität und echt sein, so ist das für mich wesentlich einfacher und entstresster 😀
Warum so öffentlich?
Nun, ich könnte mir doch mit all der Vergebung und Aufräumarbeiten (in meinem Kopf) echt ein entspannteres Leben machen, nach der klassischen Definition…. Familie, Haus, Garten, Urlaub, einen Job der entspannter ist und täglich darüber meckern, was in unserem Land alles schief läuft. Wegsehen, Ignorieren, geht mich nichts an und klar,ich sollte, wenn ich „durch“ bin quasi dauergechillt mit allen Themen umgehen können.
Nun, ich habe mich bewusst für einen anderen Weg entschieden…. Familie, Haus, Garten, Urlaub und einen Job, der manchmal nicht ganz so entspannt ist und trotzdem Spaß macht und zusätzlich noch sehr viel ändern kann…. Für einzelnen Kinder, Erwachsene und auch in unserer Gesellschaft.
Denn es macht mich echt betroffen und auch echt wütend, wenn ich sehe und erlebe, wie viele Kinder mit einer Mutter bzw. Eltern gesegnet sind, die meiner mehr als nur Ähnlich sind. Ich bin entsetzt wie Politik und Gesellschaft immer noch betreten schweigen, wegschauen und sich trodem drüber aufregen wie „Scheiße“ unsere Kinder und Jugendlichen heutzutage sind. Wir regen uns über die Verrohung der Menschheit auf? Klar…. nur wer ist bereit, wirklich nach Lösungen zu suchen, Veränderungen zu realisieren? Wer ist bereit überhaupt sich mal dem Thema zu stellen, also nicht nur kurz empört zu schreien?
Bis jetzt noch viel zu wenige!
Wie oft in habe ich in den letzten Wochen gehört: „Oh ja, Kinderschutz, Prävention, Mobbing, Gewalt, Missbrauch….ganz ganz wichtiges Thema! Da müssen wir unbedingt was machen, das ist SOOOOO wichtig!“ Nun, wir haben Stiftung/ Verein und eine Firma, die sich all diesen gesellschaftlichen Themen verbunden sind, um etwas zu ändern und zu bewegen. Leider bleibt es viel zu oft bei dem „Wir müssten was machen“…… wenn nur die Hälfte der Begeisterten mal ihr Wort halten würden, dann könnten wir definitiv mehr bewirken.
Firmen machen bei diesen Themen sehr ungerne Spenden oder gar Sponsoring, weil ihnen das Thema zu „heiß“ ist. Da frag ich mich doch, was da im System nicht stimmt? Jede Branche jammert, das es keinen Nachwuchs gibt oder ungeeignet ist? In jeder Firma befinden sich, statistisch gesehen, mehre Betroffene von Mobbing, Gewalt und Missbrauch (Offer & Täter). Dies hat Auswirkungen auf die Produktivität und das miteinander in der Firma, was man sogar locker nachrechnen kann.
Wir reden alle immer wieder von Werten und von Menschlichkeit, wann fangen wir an, diese wieder zu leben statt sie in einer Dauerschleife von anderen einzufordern?
Und um die Frage von oben zu beantworten:
Ich werde mit diesen Themen lebenslang nicht „durch“ und fertig sein, wahrscheinlicher ist das sich das „Wie ich damit umgehe“ ändern wird. Nur eins sollte jedem klar sein, solange ich in die Augen von Kindern schaue, die mir vertrauensvoll erzählen, das sie mit 8 Jahren vergewaltigt wurden oder zu Hause nur körperliche und Psychische Gewalt erleben und unser System nicht wirklich in der Lage ist, zu helfen…..SOLANGE werde ich darüber wütent, entsetzt und angewiedert sein. Denn genauso biete ich auch Hilfe und Unterstützung an.
Meine Mutter kann und muss sich heute nicht mehr ändern, das liegt in ihrer Hand und ändert ja auch nichts an unserer gemeinsamen Vergangenheit. Habe ich mich geöst? Ja, soweit ich es eben geht, schließlich wird uns die Genetik und eben diese Vergangenheit immer in irgendeiner Art verbunden sein lassen.
Meine Geschichte ist nur eine von so vielen, eine die stellvertretend für alle Kinder mit schlechten Eltern sind. Denn wenn wir weniger Probleme wollen, dann müssen wir diese auch mal aussprechen und auf den Tisch legen und darüber offen und ehrlich reden welche Lösungen sich anbieten.
So das war jetzt mal mein Sichtweise, jetzt bin ich mal gespannt, was ihr so darüber denkt und was euch so aus der Fassung bringt.
Liebe Grüße
Janine
Es ist echt immer wieder erstaunlich, dass dieser Satz: Du bist halt noch nicht durch“ kommt wenn ein Gefühl wie Wut, Enttäuschung oder auch Traurigkeit in bestimmten Momenten aufplopt. Besonders interessant, wenn es sogar von Menschen mit einer gewissen Bestimmtheit gesagt wird, die selbst im Coaching tätig sind. Ist es nicht gerade unser größter Schatz, dass wir diese Vielfalt an Gefühlen haben und diese leben können?
Gerade diese „Abgestumpftheit“ nicht mehr zu seinen Gefühlen zu stehen sorgt doch für all den Schlamassel der die meisten Menschen unzufrieden macht.
„Durch zu sein“ bedeutet für mich den anderen sein Leben leben lassen und selbst das eigene führen zu können und das Beste daraus zu machen.
Auch mich macht es wahnsinnig wütend dass ich seit 11 Jahren immer wieder die gleichen platten und abgestumpften Floskeln zum Thema Prävention und Kinderschutz hören muss und selbst mir platzt dann mein diplomatischer Kragen wenn ich erlebe wie auf die „schlimmen“ Kinder und Jugendlichen geschimpft wird nur weil wir erwachsenen bestimmte Erwartungen haben und ihnen abgestumpft unser System überstülpen.
Gerade weil wir diese Gefühle nicht unterdrücken aber hochprofessionell damit umgehen haben wir so einen guten Draht zu den Kindern und Jugendlichen die uns schon nach kurzer Zeit private Dinge anvertrauen.
Mein Fazit: Etwas mehr Gefühl tut uns allen gut.
Und mein Fazit für die Floskelnschwinger: Es ist ehrlicher zu sagen wenn euch euer neuer Wagen oder die edle Handtasche wichtiger ist als die Unterstützung für den Kinderschutz- Oder ihr sagt einfach gar nichts. Hört aber bitte auf so zu tun als ob wenn es gerade in das öffentliche Bild passt um dann wenn ihr euch umdreht ohne weiter zu handeln oder Wort zu halten von dannen geht.
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